Die Wahrheit über Buchmessen


Jedes Jahr finden auf der ganzen Welt Buchmessen statt. Wem solche was bringen, erläutere ich hier.

Eigenlob- von Leipzig bis Frankfurt

Die Leipziger Buchmesse ist etwas kleiner, wie die Frankfurter, die 2016 zwischen dem 19. und 23. Oktober stattfindet. Dort stellen nicht nur Verlage und Vertragsautoren ihre Werke vor, sondern auch seit einigen Jahren Selfpublisher. Doch hier liegt das größte Problem: was ist ein Selfpublisher eigentlich?
Selfpublisher sind kleine Menschen, die alles mit Mühe und Not selbst erledigen.
Die Männer und Frauen dagegen, welche auf den Buchmessen auftauchen, waren einmal Selbstverleger, haben sich mithilfe von Verlagen oder anderen Institutionen aber den Status eines Verlagsautoren erkauft.
Schaut man genauer hin, erkennt man, dass die ehemaligen Selfpublisher längst Verträge mit Verlagen abgeschlossen haben.

Die Buchbranche stinkt

Ich bin seit über eineinhalb Jahren in der Buchbranche tätig und kann mit Recht sagen: nicht alte, vergilbte Bücher stinken, sondern die Leute, die diese herstellen.
In der Branche wird- wie in vielen anderen auch- gelogen und gedeichselt was das Zeug hält. Dies wird dann noch unter lauthalsigem Eigenlob dem Massenpublikum zur Schau gestellt. Mit kleinen Menschen hat diese Art des Selfpublishings überhaupt nichts zu tun. Man kann darüber streiten, ob Autoren, welche Cover designen lassen und nicht selbst herstellen, bereits noch zu Selfpublishern zählen. Doch was jährlich in Leipzig und Frankfurt geschieht, hat rein gar nichts mit Selbstverlegertum zu tun.

Wenn die Zahlen stimmen...

Die kleinen Leute, welche hart an ihren Werken arbeiten, haben keinerlei Chance, auf der Messe erfolgreich zu sein. Natürlich können sie die Buchmessen als Besucher betreten- alles andere bleibt ihnen ohnehin verwehrt. Aber wer will sich schon das Eigenlob kommerzieller Autoren antun?
Wer auf die Buchmesse kommt, bestimmen die Zahlen. Wer "nur" 100.000 seiner Bücher verkauft hat, bekommt vielleicht das Glück, an einer Buchmesse teilnehmen zu dürfen. Wer weniger verkauft, hat Pech. Das ist die Buchbranche.
Nehmen wir an, ein Autor mit einem jährlichen Buchverkauf von 1000 Exemplaren würde utopischerweise an der Messe teilnehmen: stünde er dort mit einem Klapptisch?
Angebliche Selfpublisher werden beworben und gefördert. Riesige Plakate, farbige Flyer und der Ausstellungsplatz (sowie natürlich das Buch in Printform) werden gesponsert. Die fälligen Beträge dafür, kann kein normaler Selbstverleger bezahlen! Die Verlage sind die Strippenzieher, welche sich um Interviews und Fotoreportagen der jeweiligen Autoren kümmern. Wann sonst berichtet die Presse (ausgenommen Feuilletons) schon mal über so etwas langweiliges wie Bücher?

Distributoren= Kannibalen?

Passender Vergleich. Viele Distributoren führen sich auf Buchmessen und bereits im Vorfeld wie Kannibalen auf. Beispielsweise machen sie ihre Autoren darauf aufmerksam, sich in sogenannte Bestenlisten einteilen zu lassen, etwa wer am meisten verkauft. Commerce wins.
Hier ist auch die einzige Schnittstelle, an welcher man erahnen kann, dass Selfpublisher auf Buchmessen eben nichts selbst machen. Manche Distributoren werben sogar damit, die kommerziell erfolgreichsten Bücher auf die Buchmessen zu bringen. Sogenannte Scouts suchen die besten veröffentlichten Bücher auf der eigenen Plattform. Wird man ausgewählt, folgt ein professionelles Cover (wenn nicht schon vorhanden), Lektorat und natürlich kostenintensives Marketing. Wovon war hier noch einmal die Rede? Ach ja, von Selbstverlegern...
Kannibalen verschlingen normalerweise alles. Aber hier muss man doch zwischen Distributor und Kannibale unterscheiden: Distributoren verschlingen nur die erfolgreichsten ihrer Schafe. Den Rest lassen sie unberührt liegen.

Schon lange werden im Zusammenhang mit Selbstverlegern Autorennamen erwähnt, die mindestens genau so lange einem Verlag angehören. Wirkliche Selfpublisher haben keine Chance darauf, entdeckt zu werden. Die Medien machen finanziell starke (ehemalige) Selfpublisher noch reicher, während die kleinen Autoren im Sumpf des Vergessens verschwinden.
Wie man sieht- die Buchbranche stinkt gewaltig.

Mehr zum Thema
Nachdenken erwünscht: interessanter Artikel "Selfpublishing ist Profi-Publishing" auf e-book-news.de