Kritik: "ES" (2017)


Nachdem ich bereits im März 2017 das erfolgreiche Remake von Die Schöne und das Biest in einer Kritik beleuchtet habe, möchte ich dies auch mit ES (2017) tun. Dabei gehe ich deutlich auf Kritikpunkte ein, stelle hin und wieder Vergleiche zum Originalfilm an und halte auch nicht mit Lob hinter dem Berg.

Achtung: Da ich in diesem Beitrag auf die Filmereignisse eingehe, sollten Interessierte, die den Film noch nicht gesehen haben, wegen Spoilern nicht weiterlesen.
Noch bevor ES im Kino kam, hörte ich, dass dessen Trailer bisher der meistgeklickteste und damit erfolgreichste im Horror- Genre ist. Das ist auch nicht verwunderlich, da Warner Brothers, die Produktionsfirma, bereits früh die Marketingmaschinerie angeworfen hat. Die massive Werbung im Internet und in Printmedien hat dafür gesorgt, dass das von mir aufgesuchte Kino einige Zeit restlos ausverkauft war. Als ich dann die Gelegenheit bekam, mir den Film dort anzusehen, entschied ich mich auch dazu, diese Kritik zu schreiben.

Die Handlung

Im Film geht es um den Club der Verlierer, welcher aus sieben Kindern besteht. Mike, Stan, Bill, Beverly, Eddie, Richie und Ben sind alle Außenseiter und erfahren später, dass die verschwundenen Personen aus ihrer Stadt einem Clown namens Pennywise zum Opfer gefallen sind. Alle 27 Jahre taucht dieser aus der Kanalisation auf und macht Jagd auf die Einwohner der Kleinstadt. Ben kommt neu nach Derry und wird deshalb an der Schule nur der Neue genannt. Von einer Jugendgang, welche gerne auch die anderen Kinder quält, wird er wegen seines massiven Körperbaus aufgezogen. Allen Kindern gemein ist, dass sie vor bestimmten Dingen Angst haben. Beverly fürchtet sich beispielsweise vor ihrem Vater, welcher sich an seiner Tochter vergreift, wie im Film angedeutet wird. Eddie hat große Angst vor Bakterien und somit vor allen Dingen, die ihn krank machen könnten- eine Tatsache, woran dessen Mutter nicht unschuldig ist. Richie hat Angst vor Clowns und genau bei diesem Charakter beginnen meine ersten kritischen Worte.

Nervensäge Richie

Richie hat im Vergleich zu den anderen Kindern wenig Screentime- zum Glück- nur Stanley hat noch weniger. Zumindest erfahren wir als Zuschauer aber von dem jüdischen Jungen, dass er Angst vor einem Bild im Büro seines Vaters- dem örtlichen Rabbi- hat und beschnitten werden soll. Richie wird verkörpert von Finn Wolfhard, den ich allerdings für eine Fehlbesetzung halte. Er hätte lieber bei Stranger Things bleiben sollen. Die Rolle und sein Spiel sind nicht nur farblos, da man über ihn sehr wenig erfährt, sondern auch unrealistisch, da er optisch als ziemlicher Außenseiter dargestellt wird, aber dennoch ständig mit dummen Sprüchen nervt. Dieses Selbstbewusstsein könnte er in der Realität als Mitglied des Losers´ Club gar nicht besitzen. Seine Augen wirken durch die stark vergrößernden Brillengläser riesig- riesig ist aber vor allem sein Mundwerk, da er ständig sinnlos vulgäre Ausdrücke in die Unterhaltungen der Kindergruppe einbringt. Manche seiner Sätze sollten für Schmunzler sorgen, was weder bei mir, noch bei dem halbvollen Kinosaal funktioniert hat.

Die Laufzeit

Mehr als einmal fragte ich mich während der Vorstellung, wann der Film vorbei ist und da hatte er gerade einmal die Hälfte seiner Laufzeit von 135 Minuten erreicht. Der originale ES von 1990 erschien als Fernsehfilm und ging insgesamt über drei Stunden. Die Neuverfilmung, die ausdrücklich nur den ersten Teil der Geschichte mit den Kinderdarstellern beinhaltet, geht aber schon über zwei Stunden. Der Grund für meine stellenweise Langeweile war, dass der Film sich zu lange Zeit lässt. Dabei wird auf Richie und Stan so gut wie gar nicht eingegangen, andere Szenen aber werden zu langatmig erzählt.

Die Effekte

Ich erwartete nicht, dass man in ES keine Spezialeffekte zu sehen bekommt, teilweise waren diese aber einfach übertrieben. So fand ich es zwar gut, dass Beverly´s Badezimmer wie im Original in grün gehalten wurde, dass sie aber statt nur mit dem blutenden Waschbecken auch noch mit computeranimierten, unzähligen zuvor abgeschnittenen Haarsträhnen zu kämpfen hatte, fand ich zu viel des Guten. Auch das literweise Blut war auf das heutige Publikum zugeschnitten.
Bei Pennywise selbst übertrieb es Regisseur Andrés Muschietti mit den Zähnen, die mich eher an Mama- einen seiner früheren Filme- erinnerten.
Selbst für den bekannten blutroten Ballon wurde stellenweise der Computer bemüht, was in manchen Einstellungen sehr deutlich ist. Ebenso der Brunnen im verlassenen Haus, der in Wahrheit ziemlich flach gewesen sein dürfte. Hervorzuheben war jedoch der Leprakranke, der mich visuell beeindruckt hat und von Javier Botet verkörpert wurde.

Pennywise, der Horror- Clown

Tim Curry hatte Pennywise 1990 einen humorvollen Charakter verliehen. Bill Skarsgard setzte in dem Remake auf die Horrorschiene, zieht es lieber vor den Kindern vorder- statt hintergründig Angst zu machen. Dabei wirkt dessen Äußeres lediglich wegen der hohen Stirn bedrohlich und hin und wieder versucht sich der neue Pennywise auch an einem kleinen Spaß, der jedoch schnell wieder zur Horrorvorstellung wird. Gut fand ich hier, dass der gestaltwandlerische Clown im Remake ständig sabbert, was im Original nicht der Fall war.

Lob

Obwohl ich nun einige Kritik geäußert habe, habe ich auch Lichtblicke in ES gefunden. Beispielsweise die Stadtrowdies, deren Anführer sogar der Sohn des Sheriffs ist. Im Originalfilm wie auch im Remake kommt die ganz irdische Bedrohung durch die älteren Jugendlichen hervorragend zur Geltung. Die Neuverfilmung bedient sich dabei vor allem einer moderneren Sprache.
Auch die Ängste des Losers´ Club werden filmisch sehr gut eingefangen. Die Angst vor dem sexuell übergrifflichen Vater oder Mike´s Angst, Schafe zu töten, kommen ebenfalls authentisch herüber.
Besonders möchte ich Eddie- der von Jack Dylan Grazer verkörpert wird- loben, da sein Charakter meines Erachtens mitunter die größte Tiefe des Films aufweißt- was auch später bei der Konfrontation mit seiner übergewichtigen Mutter sichtbar wird. Hauptprotagonist Jayden Lieberher als Bill, spielt zwar authenthisch, aber in manchen Einstellungen recht farblos. Hier hätte ich mir gewünscht, dass seine Charakterwandlung als Anführer stärker zur Geltung kommt.
Die Jumpscares waren nicht immer vorhersehbar und drei- oder viermal hatte ich mich während des Films erschreckt. Action gibt es am Amfang recht viel und dann immer wieder kurz über die restliche Laufzeit verteilt. Nach meinem Empfinden hätte es noch ein wenig mehr davon geben können.

Fazit

Das gleichnamige Buch von Stephen King, welches mehr als 1000 Seiten enthält, habe ich nie gelesen. Dennoch weiß ich, dass sich das Remake an manchen Stellen mehr an das Buch hält, dafür andere vernachlässigt oder abändert. So spielt die Handlung dreißig Jahre später als in der Vorlage, damit das heutige Kinopublikum sich besser mit dem Film identifizieren kann.
Unklar ist, woher die Kinder im späteren Verlauf plötzlich Pennywise´ Geschichte kennen und wissen, wie sie zu reagieren haben. Das Original hat dies besser inszeniert, da das Remake höchstens Dinge andeutet und nie detaillierte Recherchen zeigt.
Das Bild war bis auf kurze Sequenzen in dunkleren Szenen (z.b. Stanley im Büro des Rabbi´s) frei von Filmkorn und somit optimal. Die Musik hielt sich relativ unauffällig im Hintergrund (bis auf den mehrmaligen Einsatz von New Kids on the Block), gruselige Szenen wurden durch die typischen Geräusche im Horror- Genre untermalt. Auch das Setting weiß in der Regel zu überzeugen. Über einzelne Fehler wie viel zu dicke Spinnweben im verlassenen Haus, verschwundene Personen im Hintergrund, als Ben sich in der Bücherei befindet oder eine für 1989 zu moderne Nivea- Tube im Hintergrund des Tante- Emma- Ladens, lässt sich hinwegsehen.
Die unglücklichste Wahl wurde meiner Meinung nach mit Richie´s Rolle getroffen, der mit blöden Sprüchen zu nerven weiß. Eine Änderung zum Originalfilm wurde auch mit Beverly´s neuer Frisur in der Filmmitte erreicht, die sich die Haare abschneidet, um sich vor ihrem Vater zu schützen.
Speziell die blutige Badszene hätte meiner Meinung nach auch kurz aus der Sicht des Vaters gezeigt werden können. Das Mysteriöse an dieser Szene (Erwachsene können das Werk von ES nicht sehen) wurde 1990 besser dargestellt.
Gefehlt hat mir die Szene in der Bücherei, die im Originalfilm vorhanden war: in der Bibliothek tauchen überall rote Luftballons auf, die unbemerkt vor den restlichen Besuchern platzen und ihre Gesichter mit Blut bespritzen. Diese eindrucksvolle Stelle befindet sich nicht im Remake.
Wer das Original liebt, wird mit ES sicher nicht hundertprozentig zufrieden sein. Ich bin es auch nicht, obwohl ich das Original nicht vergöttere. Bei mir hinterließ ES einen gemischten Eindruck, dennoch werde ich mir den für 2019 geplanten zweiten und abschließenden Teil mit den Erwachsenen ansehen- auch in der Hoffnung, dass er einiges besser als der erste macht.

Weitere Informationen zum Film
wikipedia.de- Es (2017)
nordbuzz.de- Schreie, Ohnmacht, Krämpfe im Kino: Ist "Es" wirklich so schlimm?
filmstarts.de- Was macht eigentlich... Ur-Pennywise Tim Curry?

Lese auch meine Filmkritik zu Halloween (2018)!