Wenn die Krankenkasse in den Hörer brüllt

Symbolfoto. Bildquelle: abstract-antique-backdrop-background-164005/ an-angry-lion-4045962/ man-wearing-brown-suit-jacket-mocking-on-white-telephone-1587014 von pexels.com/ Eigene

Für meine Bücher habe ich schon häufig Szenarien beschrieben, bei denen man denkt: Gibt es so etwas wirklich? Vieles gibt es tatsächlich wirklich, wie ich Ende April 2020 selbst feststellen musste. Ich berichte über einen rüpelhaften Anrufer der Krankenkasse, mit dem ich aneinander geraten bin...

Den ersten telefonischen Kontakt hatten wir Anfang Januar 2020. Damals ging es noch um eine medizinische Maßnahme, die mir verordnet worden war und die von der Krankenkasse nach etlichen Monaten endlich bewilligt wurde. Allerdings nicht die Leistung, die ich bei meinem Antrag gestellt hatte, weswegen mich der Callcenter- Mitarbeiter aus der Bochumer Abteilung früh morgens um 07:50 Uhr anrief.
"Sie können jetzt wählen zwischen der Leistung, die wir Ihnen genehmigt haben oder der Leistung, die Sie wollen. Hierbei muss ich Sie allerdings darauf aufmerksam machen, dass Sie pro Tag eine Zuzahlung von 26€ zu leisten haben."
Die markante rauchige Stimme des Krankenkassenmitarbeiters hörte sich wie ein Vertreter für Waren, statt für Dienstleistungen im Gesundheitswesen an. Von einer Zuzahlung wusste ich nichts, wie ich ihm erklärte. Einen Tag später hielt ich einen Brief in der Hand, in dem mir eine Änderung meinem "Wunsch entsprechend" bestätigt wurde. Da war ich überrascht, denn mein völlig anderer Wunsch war mir schließlich von dem Mitarbeiter am Telefon verweigert worden.

Ich machte mich im Internet schlau und rief erneut bei der Krankenkasse an. Dort konnte man mir nicht sagen, wie der Anrufer auf den seltsamen Betrag gekommen war, der nach meiner Berechnung insgesamt zu mehr als achthundert Euro wurde. Also ging ich in Widerspruch, um die Leistung zu erhalten, die mir zustand. Einige Monate später, im April 2020, hatte ich die Leistung aus verschiedenen Gründen noch nicht erhalten, weswegen ich erneut die Nummer der Krankenkasse wählte. Obwohl das erste Telefonat mehr als drei Monate zurücklag, erkannte ich die rauchige Stimme am Apparat sofort wieder- die dem Mann gehörte, der mir eine völlig falsche Information gegeben hatte. Ich bat ihn um die Zusendung eines neuen Bescheids (auf den ich bereits vier Wochen wartete und der bereits zweimal versandt sein sollte).
"Ist kein Problem. Mache ich heute noch fertig" meinte er und wollte die Unterlagen am selben Tag losschicken.
Eine Woche später hatte sich noch immer nichts getan, der Termin für die medizinische Leistung stand unmittelbar bevor, einen Fahrschein, um den ich ihn ebenfalls gebeten hatte, gab es auch noch nicht. Ich rief erneut die Nummer, die ich mittlerweile fast auswendig kannte, an, wo mir nun eine Kollegin mitteilte, dass noch ein Dokument fehlte. Ich war verwundert, schließlich hatte mir der Mitarbeiter eine Woche zuvor nichts davon gesagt, sondern wollte mir meine angeforderten Unterlagen bereits lange zugesandt haben. Nachdem ich also noch einmal tätig wurde und das geforderte Schreiben rüberfaxen ließ, sollte eigentlich alles geklärt sein- dachte ich, denn noch immer kam die sehnlichst erwartete Post der Krankenkasse nicht.

Ein erneuter Anruf, ich zählte sie glücklicherweise nicht mit, wurde nötig. Wieder ging eine Frau ran, die mir mitteilte, dass ihr Kollege nichts ins System eingetragen hatte. Das verärgerte mich, immerhin hatte ich dadurch umsonst gewartet und es war gar nichts auf den Weg geschickt worden. Jetzt wollte sie sich darum kümmern.
"Ich leite das mit einer Dringlichkeitsmail an eine andere Abteilung weiter. Die meldet sich dann im Laufe des Tages bei Ihnen" versprach sie.
Keine Stunde später rief tatsächlich jemand an: der Mann mit der rauchigen Stimme. Dieser erklärte mir etwas gelangweilt, dass meine Unterlagen bezüglich des Fahrscheins nun nach Chemnitz geschickt würden, wo man überprüfen wollte "ob sie genehmigt werden oder nicht."
Einen Moment saß ich mit offenem Mund am Telefon, da die Fahrt eigentlich nicht nur längst genehmigt sein sollte- deren Bewilligung stand auch außer Frage. Weil der Fahrschein in wenigen Tagen benötigt wurde und noch ein Feiertag sowie ein Wochenende dazwischen lagen, fragte ich, wie schnell das ging.
"Das kann ich Ihnen nicht sagen" meinte er mit bereits erhobener Stimme.
"Aber letzte Woche haben Sie nichts davon gesagt" wandte ich ein.
"WAS LETZTE WOCHE WAR, INTERESSIERT MICH NICHT!" brüllte er plötzlich in den Hörer und wollte mir auf diese Weise klar machen, dass der Sachverhalt nach seinen Regeln zu beurteilen war.
Nun reichte es mir, denn so eine verbale Entgleisung- gerade im Gesundheitswesen- darf nicht vorkommen.
"Ich lasse mich von Ihnen nicht anschreien" machte ich ihm klar, woraufhin er wie ein aus dem Zoo ausgebrochenes Tier weiter in seinen Hörer brüllte.

Fassungslos legte ich auf- und wählte die Nummer der Beschwerdehotline. Dort hörte sich eine freundliche Dame den Vorfall und die genauen Umstände an und fragte nach dem Namen des Mitarbeiters. Den hatte ich mir nicht aufgeschrieben, aber ich hatte seine Telefonnummer, weil er mit seiner Durchwahl angerufen hatte. Dadurch sollte es eigentlich ein leichtes sein, den brüllenden Anrufer zu ermitteln. Allerdings gelang dies der Frau am Telefon nicht.
"Tut mir leid. Ich kann ihn nicht ausfindig machen. Er hat den Anruf nicht eingetragen."
"Das war mir klar. Er trägt ja gar nichts ein" antwortete ich kopfschüttelnd.
Die Frau bat mich, eine E- Mail zu schreiben. In der Zwischenzeit wollte sie noch einmal versuchen, den Anrufer ausfindig zu machen. Noch während ich in der Warteschleife hing, verfasste ich die Mail. Kurz danach meldete sich eine Frau aus Bochum- man hatte mich in jene Abteilung weitergeleitet, in der der brüllende Mitarbeiter beschäftigt war. Diese erklärte mir, dass sie sich um die Angelegenheit kümmern würde und es eine Kostenzusage geben würde.
"Warum hat mir das Ihr Kollege eben nicht gleich gesagt, statt mich anzubrüllen?" wollte ich nun wissen.
"Er hat was?"
Ich berichtete ihr von dem Vorfall, den sie mitbekommen haben musste, weil Callcenter- Agenten im Großraumbüro sitzen und ich während der Telefonate stets auch die Abfertigung andere Anrufer durch Kollegen im Hintergrund gehört hatte. Darüber hinaus wurde ich ja von der Beschwerdeabteilung weitergeleitet, die ihr mit Sicherheit alles kurz erklärt hatte. Sie stellte sich also unwissend. Als ich ihr seine Durchwahl gab, sagte sie:
"Der Name des Kollegen ist mir bekannt."
Ich bat sie darum, ihn mir zu nennen, was sie verneinte.
"Was glauben Sie, was hier in der Abteilung los ist, wenn herauskommt, dass Sie den Namen von mir erhalten haben?"
"Ich werde Ihren Namen nicht nennen" versprach ich, wobei ich mich fragte, wie kühl die Arbeitssituation dieser Mitarbeiterin sein musste, wenn sie Angst davor hatte, als Kollegenschwein zu gelten.
"Nein, ich sage Ihnen den trotzdem nicht. Schreiben Sie eine Beschwerdemail" blieb sie stur.
Rund eine Stunde später, die Mail war bereits abgeschickt, erhielt ich erneut einen Anruf: von dem brüllenden Krankenkassenmitarbeiter. Dieses Mal teilte er mir besonnen mit, dass die Sache geklärt und genehmigt sei und alles wie geplant stattfinden könne. Eine Entschuldigung für seinen Ausraster erhielt ich selbstverständlich nicht- dafür aber seinen Namen, Herr A., den er mir nach zweimaliger Aufforderung meinerseits nannte.

Bei allem Verständnis für die derzeitige Situation und den Stress, den die Angestellten auch außerhalb der Corona- Zeit haben, aber jemanden anzubrüllen, weil man selbst unfähig ist, sich in einer Woche um Unterlagen zu kümmern und darüber zu informieren, dass noch etwas eingereicht werden muss, geht gar nicht. Zudem hatte er ja nicht einmal meine Anrufe eingetragen, sondern einfach gar nichts getan- außer mich im Glauben zu lassen, die Dokumente wären auf dem Weg. Bereits im Januar hatte er mich dreist angelogen und mit seiner Forderung, über achthundert Euro zu zahlen, nachweislich die Unwahrheit gesagt, wodurch sich die ohnehin schon lahme deutsche Bürokratie noch weiter verlangsamt hatte. Und nun erneut der Vorfall, dass er seiner (laut seiner Kollegin vorgeschriebenen) Dokumentationspflicht wieder einmal nicht nachgekommen war und in den Hörer brüllte. Das alleine stellt eine Unverschämtheit dar und zeugt von dem generellen Charakter des Mitarbeiters. Natürlich kann man mal einen schlechten Tag haben, aber wenn man als Anrufer mal nicht Ja und Amen sagt und jemanden auf seine eigenen falschen Aussagen hinweisen will, darf man nicht mit aggressivem Gebrüll reagieren. Gepflogenheiten, wie das Gegenüber aussprechen zu lassen und Sachverhalte ruhig zu klären, gehören zu jeder Ausbildung oder Weiterbildung als Callcenter- Agent dazu. Offenbar hatte der besagte Mitarbeiter bei diesem Teil geschlafen- und auch bei der Dokumentation schlampig gearbeitet. Daraus waren erst die Probleme, die ich hatte, entstanden, deren Beseitigung nun natürlich mehr Arbeit verursachte.

Dennoch ging es jetzt (auch durch meine telefonische Beschwerde bedingt) recht schnell, sodass sich eine weitere seiner getätigten Aussagen als falsch herausstellte. Es musste eben nichts nach Chemnitz geschickt und gehofft werden, dass meine Unterlagen dort genehmigt wurden- alles ließ sich innerhalb von zwei Stunden klären. Ich machte mir so meine Gedanken zu dem Mitarbeiter, denn hätte ich im Januar auf ihn gehört, wäre ich achthundert Euro ärmer gewesen. Bis heute weiß ich nicht, an welche Kontonummer ich diese unerklärliche Summe hätte überweisen sollen- vermutlich an seine eigene. Wer weiß, an welchen halbseidenen Aktionen dieser Mitarbeiter nebenberuflich noch beteiligt ist...

Fazit

Verschaffe dir mit einem lauten Organ Gehör bzw. Wer brüllt, hat Recht sind Sprüche, die weder zutreffen, noch einer gesunden Kommunikation dienlich sind. Genauso wenig wie Lügen oder dreiste Versuche, Anrufer mit Falschaussagen finanziell über´s Ohr zu hauen. Gerade im Gesundheitswesen, sollte man besonnen agieren und nicht ausrasten, wenn man sich auf getätigte Aussagen bezieht. Das Brüllen in den Hörer ist jedenfalls ein Unding, welches jeder Betroffene mit einer Beschwerde rügen sollte. Wir sind alle Menschen und haben ein Anrecht auf ein freundliches Telefonat, dies fordern Callcenter- Agenten schließlich auch von uns Anrufern, die durch solche erlebten Schlampigkeiten mehr Grund hätten, sauer zu sein. Auch das Verhalten der Kollegin, die mir seinen Namen nicht nennen wollte, kritisiere ich. Natürlich hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus, doch es gehört schon eine Portion Falschheit dazu, wenn man lieber seinen Kollegen schützt, als dessen Schandtat aufzuklären. In diesem Fall ist ihre (mögliche) Angst kein Argument, denn wenn man jemanden deckt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Terror im Büro oder das Mobbing am Arbeitsplatz weitergehen.
An diesem Ereignis habe ich mal wieder gesehen, wie oft die (traurige) Realität mit der Fiktion übereinstimmt. Manche Leser mögen gewisse Stellen in einem Buch für unglaubwürdig halten- in diesen Momenten sollten sie sich fragen, welche unglaublichen Geschehnisse in ihrem eigenen Leben bereits vorgefallen sind. Zu der Liste von Dingen, die es eigentlich nicht geben dürfte, reiht sich auf jeden Fall mein Gespräch mit Herrn A., der hätte lieber ein Löwe, statt eines Krankenkassenmitarbeiters werden sollen- dann wäre sein Gebrüll wenigstens passend gewesen.