Leben mit HIV- Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews welches ich mit Nic Nacke geführt habe, geht es darum, wie er mit seiner Krankheit lebt, ob er Einschränkungen im Alltag spürt und wie er sich für Aufklärung engangieren möchte.



Du betreibst seit kurzer Zeit einen Blog zum Thema HIV. Was war der Stein des Anstoßes dazu?
Schon ziemlich schnell hatte ich das Bedürfnis über meine Infektion zu schreiben. Zu erzählen, wie es ist, HIV- positiv zu sein. Im realen Leben bin ich ein sehr ruhiger und verschlossener Typ. Im Internet kann ich mit der Infektion viel offener umgehen. Inspiert wurde ich dabei vom Teilzeitvlogger, der auch auf seinem Blog und in Videos auf YouTube über seine Infektion schreibt und erzählt. Er hatte damals auch nach so Erfahrungsberichten- vor allem von gleichaltrigen- gesucht und für ihn nur sehr unzureichende Informationen gefunden.

Auf deinem Blog postest du regelmäßig über deine Krankheit. Wie leicht fällt dir das und was erhoffst du dir davon?
Im Internet zu posten, fällt mir sehr leicht. Ich will damit anderen zeigen, wie es heutzutage ist, HIV- positiv zu sein. Dass es bei uns in Europa eben keine todbringende Krankheit mehr ist. Leider glauben das immer noch viel zu viele. Weil die Menschen sich nur mit dem Thema HIV beschäftigen, wenn sie selber betroffen sind. Sei es, weil sie sich selbst infiziert haben oder das eben ein Verwandter oder Bekannter von ihnen infiziert ist. Rechtzeitig diagnostiziert, ist HIV eine gut zu behandelnde Krankheit, mit der man bis ins hohe Alter leben kann.

Wie waren bisherige Reaktionen auf dein Projekt?
Bisher habe ich nur positive Reaktionen erlebt. Ich weiß allerdings auch, dass es Leute gibt die einen- gerade wegen der Anonymität des Internets- ziemlich hart unter der Gürtellinie angreifen. Und solche Kommentare werde ich bestimmt auch noch erleben- leider.

Wie läuft eine HIV- Therapie ab?
Man geht zu einem HIV- Schwerpunkt- Arzt und der entscheidet ob und wann eine Therapie begonnen wird. Im Normalfall nimmt man dann 3 verschiedene Tabletten einmal am Tag- sein Leben lang. Ich nehme sie immer morgens. Man muss diese aber auch wirklich täglich nehmen, damit der Virus eingedämmt wird. Bei mir kam erschwerend hinzu, dass ich zum selben Zeitpunkt, wo die Infektion entdeckt wurde, eine Lungenentzündung bekommen habe. Da ich auch noch Allergiker bin und Anstrengungsasthma habe, habe ich das schlechte Atmen zuerst auf einen starken Pollenflug geschoben und die Lungenentzündung drei Wochen verschleppt. Es war eine besondere Form, die nur Menschen mit geschwächtem Immunsystem bekommen. Dadurch lag ich zunächst drei Wochen im Krankenhaus. Mit der HIV- Therapie wurde dann danach begonnen und ich bin in der ersten Zeit alle zwei Wochen beim Arzt gewesen. In den letzten drei Monaten nur noch einmal im Monat.
Jetzt, wo die Therapie läuft, die Medikamente ihre Wirkung zeigen und mein Immunsystem wieder gestärkt ist, wird es nur einmal alle drei Monate oder sogar nur einmal im halben Jahr sein. Natürlich muss das Immunsystem erst einmal wieder in Fahrt kommen, nachdem der HI- Virus im Körper gewütet hat.

Auf Twitter hast du berichtet, dass du pro Monat im Schnitt 200€ in die Krankenkasse einzahlst. Für wie gut hältst du unser Gesundheitsssystem in Deutschland?
Ich finde das Gesundheitssystem in Deutschland ganz gut so, wie es ist. Wenn auch an einigen kleinen Stellen natürlich verbesserungswürdig- aber das ist ja so bei vielen Dingen. Wenn ich bedenke, dass ich wie in den USA oder in Afrika- wo HIV aufgrund des starken Einflusses der katholischen Kirche und schlechter Aufklärung leider sehr verbreitet ist- keine (staatliche) Krankenversicherung hätte und die Medikamente selber bezahlen müsste, würde ich mich entscheiden müssen, ob ich gesund oder obdachlos sein will, oder ob ich den HI- Virus unbehandelt lasse. Die Folgen in dem Fall sollten klar sein. 
1.800€ für drei Medikamente alle 30 Tage sind nicht gerade billig. Von meinem Gehalt könnte ich die nicht bezahlen und wäre somit auf finanzielle Hilfe anderer angewiesen. Da komme ich mit meinen knapp 30€ Zuzahlung noch gut weg.

Wie eingeschränkt bist du im Alltag?
Überhaupt nicht. Ich mache alles so weiter, wie vorher auch.

Was möchtest du anderen Personen, welche gesund sind, sagen?
Passt auf Euch auf und lasst Euch regelmäßig testen. 
Ich will niemandem verbieten ungeschützten Sex zu haben. Ich bin ehrlich, wenn ich sage, dass ich selber Sex ohne Kondom besser und anregender finde, als mit. Trotzdem sollte man auch skeptisch sein, wenn man Gelegenheitssex über irgendwelche Internetportale, in einschlägigen Bars und Clubs oder auf Party´s hat. Und damit meine ich selbstverständlich nicht nur Männer. Was viele nämlich vergessen ist, dass sich genauso Frauen infizieren können.

Und was möchtest du den Menschen mitteilen, die das gleiche Schicksal teilen?
Lasst Euch von dem Virus nicht unterkriegen.
Ich habe mir vom ersten Moment an gesagt: Ich will kämpfen. Ich will unter die sogenannte Nachweisgrenze kommen, den Virus also so weit eindämmen, dass er kaum noch bis gar nicht mehr im Blut nachgewiesen werden kann. Was ich so im Internet gelesen habe, fallen viele nach der Diagnose erst einmal in ein tiefes Loch. Dadurch, dass ich schon vorher geahnt hatte, das ich mich infiziert haben könnte, habe ich mich schon viel informiert und war nicht so geschockt wie andere. Ich wollte von Anfang an kämpfen. Auch meiner Mutter zuliebe.

Dein Blog befindet sich derzeit noch im Aufbau. Wie viel Zeit investierst du darin und was macht dir am Bloggen Spaß?
Jetzt gerade (im Dezember) investiere ich viel Zeit darin, weil ich den Arbeitgeberwechsel und zurzeit Urlaub habe. Mir kommen auch gerade viele Ideen für Artikel in den Sinn, die ich gerne umsetzen möchte. Mir macht es Spaß, meine Erfahrungen mitzuteilen. Dass man heutzutage mit HIV ganz normal leben kann. Aber auch über die Ängste, wie z.b. das Coming Out gegenüber den eigenen Eltern zu schreiben.

Könntest du dir in Zukunft vorstellen, auch über andere Themen zu bloggen?
Vorstellen kann ich mir das auf jeden Fall. Um wieder den Teilzeitvlogger hervorzuholen: er hat auch erst über seine Infektion geschrieben. Mittlerweile nimmt er auch zu vielen politischen Themen Stellung, vor allem, wenn sie mit Homosexualität und HIV/ AIDS zu tun haben. Er ist ja auch sehr stark in der Aidshilfe aktiv.

Zum Abschluss: Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Ich habe in den letzten Tagen mehr und mehr die Lust gewonnen, mich ebenfalls in der Aidshilfe zu engagieren. Vor allem in der Aufklärung (und Prävention) bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das dann aber erst, wenn mein Vater und meine Mutter über meine Infektion informiert sind. Beruflich möchte ich erst einmal in meinem erlernten Beruf richtig "ankommen". Also einen Arbeitgeber bei dem ich länger bleiben kann. Das war durch verschiedene Umstände bis jetzt leider nicht möglich. Und privat möchte ich mein Leben so weiterleben wie bisher. Wenn ich mich verliebe, ist das schön und ich werde das bestimmt genießen. Ich werde aber nicht mit aller Macht danach suchen. Dabei verzweifelt man nur.

Vielen Dank, Nic, für das interessante Interview. Ich wünsche dir weiterhin viel Glück und Erfolg bei deinem geplanten Engagement.


Weiterführende Links zum Thema:
Nic Nacke auf Twitter, bei Facebook und sein Blog
Teilzeitvlogger: Blog und YouTube- Channel
Listen von HIV- Schwerpunkt- Ärzten und vieles mehr auf HIVandmore.de