Aufreger Weihnachtsmarkt: vegane Fake-Produkte

Symbolbild. Bildquellen: assorted-plush-toys-1662350/ close-up-photo-of-cakes-near-glass-window-2773606 von pexels.com/ Eigene
Sind als tierleidfrei ausgelobte Lebensmittel auf Weihnachtsmärkten wirklich vegan?

Seit Mitte bzw. Ende November ist die Weihnachtsmarktsaison eröffnet. Was ich auf einem erlebt habe und weshalb Veganer besonders vorsichtig sein sollten, erzähle ich jetzt in gewohnt deutlichen Worten.

Kaum ist Halloween vorbei, sieht es in jeder Stadt so aus: dutzende Menschen tummeln sich auf den Marktplätzen der Innenstadt und schlendern (oder hetzen) an weihnachtlich dekorierten Holzhütten vorbei, die mal eigenhändig geschnitzte Figuren aus Holz und mal vegane Lebensmittel versprechen. Das man dabei nicht alles glauben kann, was einem Händler erzählen, habe ich in den letzten Tagen am eigenen Leib erlebt. Als Veganer hat man es selbst in einer Großstadt nicht leicht und findet selten etwas, was man essen kann. Deshalb war ich ohne Erwartungen auf den Weihnachtsmarkt gegangen, weil an ein veganes Drei- Gänge- Menü, zwischen all den üblichen Prager Schicken-, Currywurst- oder Räucherforellen- Buden ohnehin nicht zu denken ist.
Nichtsdestotrotz hatte ich mich dennoch ein wenig durchgefragt. Angefangen bei einem Schokoladen- Geschäft neben dem Weihnachtsmarkt, bei dem angeblich alle Produkte, "die mehr als siebzig Prozent Kakaoanteil enthalten" vegan seien. Normalerweise bin ich ein Fan von unverpackten Lebensmitteln, die auch der Umwelt zugute kommen, aber an dieser Stelle prüfe ich solche Aussagen gerne noch einmal nach, weshalb ich mir die Verpackungen der unzähligen Weihnachtsmänner, Pralinen und Schokoladentafeln genauer ansah. Jonas aus Schokosucht wäre hier definitiv schwach geworden- allerdings bezweifle ich, ob er Veganer ist...

Und siehe da: in wirklich jedem Produkt steckten Butterreinfett, Magermilchpulver oder Milchpulver. Die beiden Verkäuferinnen sahen mehrmals in einem Zutatenkatalog nach und verstanden offensichtlich nicht, dass ihre Waren doch nicht vegan sind- allerhöchstens vegetarisch. Nach etlichen überprüften Produkten wurde ich schließlich in einen anderen Laden geschickt, wo ich tatsächlich einen veganen Weihnachtsmann ohne tierische Inhaltsstoffe fand. Der wurde auch gleich geköpft, denn die Suche nach ihm war echt anstrengend!
Weiter ging es über den Weihnachtsmarkt, wo nach gefühlt einhundert Buden endlich ein Vegan- Schild vor der Hütte auf tierleidfreie Bonbons hinwies. Freudig kam ich näher. Währenddessen hielt mir eine der Verkäuferinnen ein Bonbon zum Probieren unter die Nase. Weil ich solche Sachen aus bekannten Gründen ablehne, wies ich sie dankend zurück. Stattdessen sah ich mir die Produkte genauer an. Gleich auf dem ersten Glas, welches ich umdrehte- Vegetarier und Veganer kennen die typische Drehbewegung und beherrschen sie aus dem Effeff- fand sich Karmin als Inhaltsstoff, der für die rote Farbe der Bonbons verantwortlich war und aus zerstampften und gekochten Schildläusen besteht. Lecker!
Auch die danebenstehenden Pappverpackungen wiesen alle auf Karmin hin. Irritiert fragte ich bei der ersten Verkäuferin, die mich ihre Produkte hatte probieren lassen wollen, nach. Vielleicht hatte ich einfach nur in der falschen Ecke nach veganen Bonbons gesucht. Sie gab die Anfrage unwissend direkt an ihre Kollegin weiter, die meinte, dass sie viele vegane Produkte hätten. Um sich zu vergewissern (bzw. mich zu überzeugen) fragte sie die dritte Kollegin, die wohl als Vorarbeiterin oder Chefin fungierte. "Alle unsere Bonbons sind vegan, denn sie werden mit natürlichen Inhaltsstoffen hergestellt."

Schlagartig wurde mir bewusst, dass hier nicht nur Schindluder mit der Vegan- Bezeichnung betrieben, sondern mutmaßlich falsch geworben wurde. Mit einem "Aha. Wer´s glaubt" lief ich kopfschüttelnd weiter. Offenbar hatten die Betreiber der Bonbon- Hütte in den letzten Jahren vermehrt den Begriff Vegan- der rechtlich bisher leider nicht geschützt ist und deshalb solche Spielchen straffrei zulässt- aufgeschnappt und wegen der hohen Nachfrage nach tierleidfreien Produkten einfach ein Schild entworfen, welches ahnungslose, umweltbewusste Kunden anlocken sollte. Aber auch eine andere Hütte, ein paar Meter weiter, die ein ähnlich aussehendes selbst gebasteltes Schild ausstellte, wirkte wenig vertrauenerweckend, da ich Käselaibe mit den unterschiedlichsten Füllungen darin nicht zu veganen Produkten zähle. Auch diese waren höchstens vegetarisch, vegan war vielleicht nur die Füllung...
Im stationären Restaurant abseits des Weihnachtsmarktes wurde ich am Abend schließlich doch noch fündig, wo ich zumindest meinen knurrenden Magen etwas besänftigen konnte.

Tipps

Bereits in den vergangenen beiden Jahren war ich auf dem Weihnachtsmarkt häufiger auf Behauptungen gestoßen, dass Produkte vegan seien- aber Honig ist es ebenfalls nicht und von dem Begriff Aroma habe ich nichts, wenn er nicht näher definiert ist. Veganer und Tierfreunde sollten sich deshalb vor einem Kauf im Internet über die Produkte informieren:
Gibt es vielleicht aktuelle Produktanfragen anderer Kunden, die Aufschluss über die genauen Zutaten unverpackter Lebensmittel geben? Besitzt der Budenbetreiber überhaupt eine Internetpräsenz oder will man mit ihrem Nichtvorhandensein negative Bewertungen aufgrund ihrer zweifelhaften Produkte verhindern? Welche Werte vertritt ein Unternehmen, selbst wenn es noch so klein ist?
Diese Fragen können interessierten Kunden bereits wertvolle Informationen beantworten. Auch der Tipp, nie hungrig über einen Weihnachtsmarkt zu gehen, kann helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen (und nebenbei den Geldbeutel zu schonen).
Allgemein sollte man auf einem Weihnachtsmarkt immer nachfragen, welche Inhaltsstoffe in den angebotenen Waren enthalten sind. Das ist zwar lästig, kann aber auch die eigene Gesundheit bewahren, denn immer mehr Menschen erleiden in der (Vor)weihnachtszeit allergische Schocks, weil sie etwas in ihrer Nahrung nicht vertragen. Und wer- wie ich- an solche ahnungslosen oder nur am Umsatz interessierten Verkäufer gerät, sollte auf seine Menschenkenntnis vertrauen und genauer hinsehen, wenn Produkte als vegan beworben werden, die es definitiv nicht sind. Damit solche fehlerhaften Kennzeichnungen in Zukunft vermieden werden, kann man eine Beschwerde bei der Verbraucherzentrale sowie bei der Stadt, die den Weihnachtsmarkt ausrichtet, einreichen. Um den Begriff endlich gesetzlich zu schützen, sollte man einzelne Parteien gezielt dazu auffordern- so kann man windigen Verkäufern den Wind aus den Segeln nehmen. Wer von Nachfragen absehen möchte, kann auch direkt rein vegane Weihnachtsmärkte besuchen, die sich aus nachvollziehbaren Gründen immer größerer Beliebtheit erfreuen.

Fazit

Meine Erfahrungen zeigen, dass man Weihnachtshütten nur unter Vorbehalt glauben sollte, wenn sie ihre Produkte als vegan anpreisen. Viele Inhaber halten dies noch immer für einen Trend; eine Modeerscheinung, mit der man überwiegend junge Leute mit ein, zwei Euro Aufschlag kräftig zur Kasse bitten kann- indem man ihnen den Abfall andreht, den sie bereits ihren konventionellen Kunden verkaufen. Zutaten wie Molkereierzeugnisse, Magermilchpulver und Butterreinfett haben nichts in Lebensmitteln zu suchen. Seit Jahren gibt es Alternativen, weshalb es weder verständlich, noch hinnehmbar ist, dass scheinbar jedes Produkt mit diesen industriellen Abfällen vollgestopft wird. Wer nur ein wenig mit offenen Augen umher läuft, wird schnell entdecken, dass viel zu viel produziert wird, was den Herstellern ermöglicht, allen möglichen Mist in ihre Erzeugnisse hineinzupumpen. In manchen Produkten hatte ich sogar Palmfett entdeckt, was nun wirklich nicht zu einer besinnlichen Weihnacht beiträgt... Dabei gibt es alle möglichen Alternativen, so auch beispielsweise für Karmin: einfach Rote- Beete- Pulver nehmen... Aber warum auch einfach, wenn es unvegan geht?
Generell lässt sich die Qualität eines Weihnachtsmarktes an den vertretenen Buden messen. Denn wer in unserer Zeit noch Prager Schinken oder ein Schwein am Spieß braucht, der hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt und lebt in seiner eigenen Welt, die frei von Klimaerwärmung, Umweltzerstörung, Mikroplastik, Regenwaldrodung und Massentierhaltung ist. Diese Konsumwut hat dann auch nichts mehr mit einer fröhlichen Weihnacht zu tun.

Weiterführende Links
co2online.de- Fleisch & Klimawandel: So hängt beides zusammen
umwelt-im-unterricht.de- Fleischkonsum, Umwelt und Klima
igb-berlin.de- Bald mehr Plastik als Fisch?
pro-regenwald.de- Fleisch zerstört Regenwald
albert-schweitzer-stiftung.de- Massentierhaltung
focus.de- Abzocke beim Weihnachtsbummel
utopia.de- Alternativer Weihnachtsmarkt 2019: bio, fair, vegan