"Cryptal City"- Special 2018: Noah´s Gastbeitrag über geschlossene Videotheken


Vor einiger Zeit schloss eine Videothek, die ich hin und wieder besuchte, für immer ihre Türen. Ich hatte mir Gedanken gemacht, wie es so weit kommen konnte. Da sich mein Autorenjubiläum und gleichzeitig das Erscheinen meiner Cryptal City- Romane zur Veröffentlichung dieses Beitrags jährt, wird Noah- seines Zeichens selbst Videothekenbetreiber- in diesem Special über sein Geschäft und die Zukunft von Film, Fernsehen und Streaming berichten. Viel Spaß!

Als ich von Denny van Heynen erfahren habe, dass eine Videothek in seiner Nähe geschlossen hatte, blutete mir das Herz. Ehrlich, ich musste mich einen Moment hinsetzen und in mich kehren. Jacob war glücklicherweise ebenfalls an diesem Tag in Noah´s und Jake´s Movies anwesend, sodass er meine Arbeit kurzzeitig fortsetzen konnte. Wenn ich höre, dass mal wieder eine Videothek schließt, geht mir das immer nahe. Sie schließen ja nicht einfach so, es gibt einen Grund: das Internet.
Ich will an dieser Stelle nichts verteufeln, da ich das Netz selbst für geschäftliche Bestellungen nutze und in den letzten Jahren gesehen habe, wie viel Arbeit man sich dadurch teilweise ersparen kann. Heute schreibe ich Verleihern keinen Brief mehr, sondern gebe eine Liste von gewünschten Filmen per Mail an sie durch. Das ist eine extreme Zeitersparnis, denn bis so ein Brief beantwortet zurück in Cryptal City ist, dauert es in der Regel bis zu zwei Wochen. Wenn ein neuer Film kurz vor dem Verleih steht, geht da eine Menge Zeit verloren, die man im Vorfeld sicherlich besser ins Marketing investieren könnte...

Das Internet hatte Filmliebenden als erstes die Möglichkeit geboten, DVD´s meist günstiger als im Laden zu kaufen und schnell nach Hause liefern zu lassen. Erst Jahre später entdeckten die Produktionsfirmen und Onlineverkaufsplattformen, dass es heutzutage keines Mediums mehr bedarf, um einen Film sehen zu können. Das finde ich persönlich sehr schade. Ein Klick und die ganze Welt gehört dir? Ist nicht wirklich sexy. Wobei ich selbstverständlich nur meinen Mann, Jake, sexy finde, welcher übrigens gerade mit Brenda unterwegs in der Stadt ist. Shoppen, um es genauer zu benennen, aber er hat mir eben eine SMS geschrieben, dass er gleich hier vorbeischauen will. Ich hoffe, dass die Shoppingtour der beiden nicht so lange, wie beim letzten Mal dauern wird...
Irgendwie wird alles unpersönlicher, das passt auch, indem man den Konsumenten den Kontakt zu Menschen wie mir nimmt. In einer gut geführten Videothek konnte man ab und an mal ein Gespräch mit den Angestellten führen und bekam- wie außergewöhnlich- echte Filmtipps von Kennern. Heute bewerben Onlineplattformen ihr Sortiment meist mit "Kunden lieben auch diese Filme".
Krass, ist das wirklich so? Nein, da gibt es Algorithmen, die ihrer Kundschaft irgendetwas vorgaukeln. Ich kann euch sagen, was da passiert: jemand klickt auf einen dieser vorgeschlagenen Filme und ist am Ende des Abends ziemlich enttäuscht, da der Film überhaupt nicht seinen Erwartungen entsprochen hat. Hätte dieser Kunde eine traditionelle Videothek wie Noah´s und Jake´s Movies aufgesucht, hätte ich ihm ein Stück der Handlung erzählen können. Er hätte mir Fragen stellen und von mir Feedback erhalten können. Mit Sicherheit wäre sein Abend dann besser verlaufen, wenn er sich einen anderen Film ausgesucht hätte.

Diese fehlende persönliche Beratung- der menschliche Kontakt- ist ein echtes Problem unserer Zeit und ich bin froh, dass Partner noch nicht durch Automaten oder Maschinen ersetzt werden können. Das würde ich auch gar nicht wollen, da ich meinen Mann für unersetzlich halte.
Im Falle der geschlossenen Videothek, die Denny van Heynen aufgesucht hatte, kam noch dazu, dass man darin das Gefühl hatte, in einer stickigen Bude zu sein. Dort drinnen war hin und wieder tatsächlich geraucht worden- ein No-Go in einem modernen Geschäft. Zudem gab es keine Fenster und somit kaum Sauerstoff. Gut, wir verfügen leider auch nur über ein Fenster im Hinterzimmer, wir öffnen es aber regelmäßig und hatten bis zu den schrecklichen Übergriffen auf meinen Mann auch gerne die Ladentür den halben Tag offenstehen. Eine geschlossene Tür wirkt leider nicht sonderlich einladend. Denny hatte mir erzählt, dass die komplette Außenfassade mit zahlreichen Filmpostern zuplakatiert worden war- das würde mir im Traum nicht einfallen. Werbung und Filmposter sind natürlich wichtig, aber man sollte von außen auch durch die Schaufenster ins Innere sehen können. Alles andere schottet den Laden doch von der Außenwelt ab und wirkt unfreundlich! Ein heller Anstrich alle paar Jahre kann ebenso wenig schaden, wie breite Gänge, damit auch gehbehinderte Menschen Filmnachschub kaufen können.

Als ich hörte, dass in der geschlossenen Videothek neben Familienfilmen separat tatsächlich Erotikfilme verkauft worden waren, erinnerte ich mich an ein Gespräch zwischen meinem Mann und mir. Wir würden aus unserem Geschäft niemals einen Erotikverleih machen. Ich habe mich stets für eine familienfreundliche Videothek ausgesprochen, da es- auch in unseren unsteten Zeiten- zahlreiche Familien gibt. Cryptal City ist praktisch voll von solchen, viele haben zwei oder mehr Kinder. Die Kleinen stürzen sich bei uns selbstverständlich auf Familienfilme, viele möchten sich auch 3D- Abenteuer ansehen. Die heutigen Animationsfilme machen dies möglich. Ich denke, das ist für kleine Kinder auch schon genug Technik. Man sollte ihnen keine Fernbedienung in die Hand drücken und am internetfähigen Fernseher einen Film suchen lassen. Wer weiß, was sie später alles online gesehen oder aus Versehen bestellt haben...

Da kommen wir auch schon zum Streaming: unspektakulär und überbewertet meiner Meinung nach. Wenn ich die Videothek nicht hätte, würde ich Streaming wahrscheinlich mal ausprobieren, mir würden aber schnell die physischen Medien und deren Haptik fehlen. Streaming ist okay, wenn man krank zuhause liegt und gerne einen Film sehen möchte. Doch als Dauerzustand? Die meisten Menschen haben gesunde Beine und können in eine Videothek laufen. Und was ist eigentlich mit den Extras? Das Streaming verdrängt Specials, Musikvideos und Making- Of´s, welche beinahe jeder Blu- Ray/ DVD beiliegen! Oft geht es hier einfach um die Preisfrage. Streaminganbieter nehmen für viele ihrer Filme drei bis vier Dollar, nach dem Kauf, hat man zwischen einem und zwei Tagen Zeit, den Film anzusehen. Danach wird er vom Benutzerkonto gelöscht. Aber Videotheken sind bei genauerer Betrachtung günstiger. Pro Film zahlt man hier lediglich ein oder zwei Dollar pro Tag, Stammkunden bekommen sogar einen Bonus und oftmals eine Ausleihe geschenkt oder sie kaufen sich einen Film und bekommen einen guten Rabatt darauf- zusätzlich zu dem ohnehin günstigen Videothekenpreis.

Fazit

Kunden können natürlich selbst entscheiden, auf welche Art und Weise sie sich einen Film ansehen möchten. Dennoch sind Videotheken kein Regiment von Gestern, sondern können bei guter Führung auch noch die nächsten Jahre- neben Streaming & Co.- bestehen. Um mit Onlineanbietern mithalten zu können, sollten sie helle, freundliche Räume gestalten und für treue Kunden Bonusprogramme anbieten. Filmliebende sollten den Kontakt zum Videothekenpersonal nicht scheuen und öfter mal ein solches Geschäft aufsuchen- gerne auch abwechselnd zum Streaming.
Um euch selbst von der ganz eigenen Atmosphäre einer mit Liebe geführten Videothek zu überzeugen, besucht mich und Jake doch einfach mal in Cryptal City!