"Sturm der Liebe": Abschied von Boris und Tobias

Für viele Fans war die Ende Januar 2019 von der ARD und den Boulevardmedien verbreitete Nachricht ein Schock: Boris Saalfeld und Tobias Ehrlinger verlassen den Sturm der Liebe. Weshalb zumindest Max Beier´s Weggang zu erwarten war, was ich mir von der Telenovela für die Zukunft wünsche und welche Kritikpunkte ich trotz der wunderschönen Hochzeit äußere, erkläre ich in diesem Beitrag.

Für eine Telenovela, die täglich gesendet wird (außer die ARD lässt mal wieder ihr Programm ausfallen oder sendet Sport, Rosenmontagsumzüge- die auch auf One gezeigt werden- etc. ...) ist es schon erstaunlich, dass das Lieblingspaar der Zuschauer aus der Geschichte geschrieben wird. Dass aber etwas mit Toris, wie die Fans die beiden Rollen liebevoll nennen, geschehen wird, war jedem klar, der sich Max Beier´s Spielplan angesehen hat. Der Darsteller von Tobias tourt nämlich mit einem neuen Bühnenprogramm durch Deutschland. Auch wenn diese Information lange unter Verschluss gehalten worden war, tauchten im Spätherbst 2018 online die ersten Hinweise auf eine Tour auf. Klar, dass man sich nicht zweiteilen kann, sodass ich schon länger wusste, dass es mit Toris zu Ende gehen wird.

(K)ein schwules Traumpaar

Für Sturm der Liebe war es eine Sensation, dass mit Boris Saalfeld ein schwuler Hauptcharakter eingeführt wurde. Als sich dieser später dann noch in den neuen Haustechniker und freiwilligen Feuerwehrmann Tobias Ehrlinger verliebte, glich das einer Premiere. Zuvor hatte es 2013 mit der Scheinhochzeit von Michael Niederbühl und André Konopka schon eine Zeit lang eine homosexuelle Geschichte gegeben, die allerdings lediglich für den Klamaukanteil der Sendung geschaffen wurde. 2014 hatte sich Daniel Brückner gegenüber Pauline als bisexuell geoutet, der kurz mit dem fanatischen Schlagersänger Chris Brenner gezeigt worden war. Mit Toris hielt 2018 eine Hauptgeschichte Einzug in das unerwartet weltoffene Bichlheim und viele Fans hätten sich gewünscht, dass sie nach dem Fortgang von Alicia Lindbergh und Viktor Saalfeld das neue Traumpaar werden. Doch hinter den Kulissen war man offensichtlich noch nicht so weit, was auch von meiner Seite zu heftiger Kritik führte.

Es rumort gewaltig

Was mussten wir Zuschauer uns von der homophoben Figur Christoph Saalfeld in den letzten Monaten alles gefallen lassen! Beinahe jeden Monat hatte er seinen Sohn Boris auf menschenfeindliche Art und Weise beleidigt und ihn sogar aus der Familie verstoßen. Die Zuschauer jedoch waren alles andere als homophob: die Mehrheit liebte Boris und Tobias. In Kommentaren unter den Sturm der Liebe- Folgen sowie auf den dazugehörigen Social Media- Seiten war immer wieder betont worden, wie sehr das Paar die Fans berührte und dass diese sich gerne die beiden oder andere gleichgeschlechtliche Figuren als neues Traumpaar gewünscht hätten.
Leider gab es für beide Männer keine große Liebesszene- vermutlich wegen befürchteten Kritiken aus dem erzkonservativen Lager. Das höchste der Gefühle waren ein paar Küsse, die eher als Schmatzer durchgehen konnten, während heterosexuelle Rollenpaare bei ellenlangen Küssen in Großaufnahmen gezeigt werden. Ihre erste Nacht verbrachten die Männer in einer Romantikhütte, in der es Viktor und Alicia zuvor getrieben hatten. Ganz heterolike mussten Boris und Tobias mit einem Meter Abstand zueinander, einer Bierflasche in den Händen und (natürlich) angezogen übereinander herfallen. Wie sie das geschafft haben, wurde der Fantasie der Zuschauer überlassen, denn sofort wurde in die nächste Szene übergeblendet. Nach dem seltsamen Szenensprung saßen Tobias und Boris dann plötzlich noch immer (oder schon wieder?) angezogen am Frühstückstisch. Wow, was für eine tolle erste Liebesnacht! Von stürmischer Liebe war da ja rein gar nichts zu sehen...

Immer wieder gab es solche Momente, wo die Liebesdosis auf niedrigem Niveau gehalten wurde. In Folge 3084 beispielsweise hatte sich das Paar wieder versöhnt, nachdem sich Tobias einige Stunden zuvor getrennt hatte (was halb im Off geschehen war). Doch statt übereinander herzufallen, wie es die dutzend anderen Haupt- und Nebenfiguren in mehr als dreizehn Jahren Sturm der Liebe- Zeit taten, lagen sie wieder einmal angezogen und mit einer Bierflasche in der Hand nebeneinander auf dem Sofa... Wer im Köpfchen nicht ganz helle ist, konnte gar meinen, die beiden wären lediglich Freunde gewesen, so gingen sie doch zusammen zu Feuerwehreinsätzen, fuhren Motorrad oder verbrachten ihre Abende zuhause. Händchenhaltend hatte man sie so gut wie nie gesehen und eine öffentliche Liebesbekundung gab´s auch nur, wenn die Lobby des Fürstenhofs fast leer war...
Einige Handlungsstränge wurden darüber hinaus nicht weiter ausgeführt, wie die Figur von Boris Saalfeld´s Ex- Freund Justus, mit dem er in Berlin zusammengewohnt und den er gegenüber seinem homophoben Vater stets als Mitbewohner, statt als Lebensgefährten ausgegeben hatte. Diese Rolle wäre für Zuschauer überaus interessant gewesen und hätte für neue Geschichten gesorgt, so hätte er sich in die Beziehung mit Tobias einmischen und gemeinsame Sache mit Christoph machen können. Das Outing von Tobias wurde im Off gezeigt, hier hätten Gastdarsteller ebenfalls für frischen Wind sorgen können. Lediglich während der Hochzeit wurden seine Eltern durch Komparsen dargestellt. Besonders befremdlich war es, wie strahlend diese Christoph begrüßt hatten- obwohl ihnen dessen Abneigung gegen Homosexuelle bestens bekannt war.
Auch die Erpressung von Flirtcoach Alejandro, die Xenia beendet hatte, hätte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal thematisiert werden können. Nach dem Mord an Beatrice Hofer durch Susan Newcombe hatte sich das ehemalige Biest ebenfalls als homophob erwiesen, da sie Boris mit seiner sexuellen Orientierung erpresste. Seltsam war auch der kurze Auftritt von Boris´ Exfreundin Vivian. Ein großer Knall war da ausgeblieben und so schnell sie aufgetaucht war, so schnell reiste sie auch wieder ab.

Positiv habe ich die Beziehung zwischen Boris und seiner Mutter, Xenia Saalfeld, erlebt, der ihr nach zwanzig Jahren gezwungenen Fernbleibens verziehen hatte. Xenia hatte nach Tina als erste von Boris´ Homosexualität erfahren und sich überaus tolerant gezeigt. Anders als Christoph war sie sehr offen und hieß Tobias in ihrer (kaputten) Familie Willkommen. Abgesehen von ihrem zwiespältigen Charakter- immerhin hat sie Alicia´s Baby und Joshua´s Adoptivvater auf dem Gewissen- wurde Boris´ Mutter in ihren gemeinsamen Szenen als fürsorglich dargestellt.
Christoph dagegen war stets ein homophober Ignorant, der Alicia kurz vor dem Ende der vierzehnten Staffel gebeichtet hatte, dass er als Jugendlicher von seinem Fußballtrainer unsittlich berührt worden war. Ob diese Aussage jedoch wirklich stimmte oder nur dazu diente, Alicia weiter an sich zu binden, bleibt unklar. Schade, denn der damalige Fußballtrainer hätte für ein anstehendes Spiel doch gerne einen Halt im Hotel Fürstenhof einlegen und Christoph auf diese Weise mit seiner (angeblichen) Vergangenheit konfrontieren können.

Nachdem Xenia den Freund ihres Sohnes vergiftet hatte (nicht aus Homophobie, sondern um ihrem Ex- Mann die Tat anzuhängen), litt Tobias mehrere Wochen unter einem gelähmten Bein. Hier wurde Boris´ Sorge um seinen Partner überaus realistisch dargestellt. Anders wie bei anderen Figuren (beispielsweise Michael´s Erblindung und Marlene´s Fuß) blieb das Bein des Haustechnikers bis zu seiner Abreise nach Hamburg weiterhin gelähmt. Eine Wunderheilung gab es in seinem Fall leider nicht, weswegen er auch nicht auf seiner eigenen Hochzeit tanzen, sondern nur mit Christoph am Rand stehen konnte.

Abschied von Toris

Die Verlobung fand übrigens schon wieder mit Bier in einer der Romantikhütten statt- und ganz bayrisch mit Leberkässemmel. Zumindest haben sich die Dekorateure (wie immer) sehr viel Mühe mit dem Set gegeben. Die Verlobung an sich war gut inszeniert worden, wie bereits häufiger bei Sturm der Liebe gesehen, hatte der eine dasselbe geplant wie der andere. Da es sich hierbei zum ersten Mal um ein gleichgeschlechtliches Paar handelte, gab es dem ganzen eine interessantere Würze.
Nachdem Boris seinen Verlobten einige Folgen später durch Fabienne auf die Idee brachte, als Suchthelfer zu arbeiten, bewarb sich Tobi in Hamburg, wo er sofort studieren konnte. Weil der Umzug dorthin bevorstand, waren Romy und Tina besorgt, dass ihre Freunde nicht am Fürstenhof heiraten würden, weshalb Tina die Standesbeamtin Frau Wiener zu einer Blitztrauung überredete. Wenige Minuten vor ihrer Hochzeit gerieten Tobias und Boris in einen Streit, weil Tobias auf ein klärendes Gespräch mit Christoph pochte. Tatsächlich versöhnte sich der homophobe Vater daraufhin mit seinem Sohn, was für die Figur zwar schön, aber unlogisch war und vermutlich auf das geänderte Drehbuch zurückzuführen ist, da Tobias eigentlich dem Tod geweiht war. Zuvor hatte die für die Hochzeit zurückgekehrte Alicia bereits auf ihren Ex- Mann eingeredet- dies hatte sie aber schon über ein halbes Jahr zuvor getan. Dass der von Grund auf homophobe Christoph, der Tobias vor der Aussprache gar noch mit "die Braut" abwertete, plötzlich anders denkt und sich nach der Trauung in Anwesenheit aller Gäste für sein menschenfeindliches Verhalten entschuldigt, gehört (leider) ins Reich der Märchen. Denkwürdig ist, dass Christoph mit all seinen Kindern erst auskommt, wenn sie seine räumliche Nähe verlassen.

Nichtsdestotrotz wurde die Folge 3104 der gleichgeschlechtlichen Hochzeit gewidmet. Als Besonderheit kann hier erwähnt werden, dass nach einigen Jahren endlich mal wieder mehr von den Feierlichkeiten zu sehen war, als bei den letzten Staffelpaaren, wo die Hochzeit nur einen kleinen Teil ausgemacht hatte. Tobias und Boris bekamen in dieser Folge viel Screentime und in das ungewöhnlich dekorierte Set war eine Menge Hingabe geflossen, da man versucht hatte, mit Schwarzweiß- Farben und schlichter Dekoration neutral zu wirken und bewusst kein Klischee zu bedienen. Andererseits sollten die Farben das altertümliche Denken kritisieren. Einen Hieb auf die konservative Gesellschaft gab es obenauf sogar mit der ebenfalls schwarzweißen Hochzeitstorte, die innen einen Kern aus Regenbogenfarben besaß. Beim Aufschneiden entfaltete sich daraus ein Herz, was zumindest ein deutliches Statement der Crew setzte und wirklich gelungen war. Generell fand ich die Darstellung der Hochzeit überaus anregend, was mich in einigen meiner Kritikpunkten ein wenig besänftigt hat.

Tod nach der Hochzeitsnacht

Kurz danach ritten Alicia und Viktor zu genau jenem Platz, an dem Viktor seiner Traumfrau ein halbes Jahr zuvor einen Heiratsantrag gemacht hatte und wo diese ihm von ihrer Schwangerschaft berichtete. Besonders in dieser Szene merkte man den Aufwand, den das Sturm der Liebe- Team betreibt, da der Pavillon aus der damaligen sommerlichen Szene noch einmal im Schnee aufgebaut und eine ähnliche Kameraperspektive eingenommen wurde. Das Traumpaar der vierzehnten Staffel war also aus drei Gründen zurückgeholt worden: die Hochzeit von Boris, Alicia´s Schwangerschaft und Xenia´s Tod. Der kurze Auftritt der beiden war durchaus sehenswert.
Die Hochzeitsnacht verbrachten Boris und Tobias erneut angezogen und mit einem Meter Abstand zueinander... Gemeinsam schauten sie aus dem Fenster der Romantikhütte- nun dem Anlass entsprechend mit Sekt in der Hand. Andere Paare hatten sich an dieser Stelle durch die Betten gerollt. Spannender als jene Hochzeitsnacht war es im Krankenhaus, wo Xenia Annabelle als Geisel nahm, wodurch sogar kurz ein SEK- Einsatzkommando gezeigt wurde. Xenia gelang im Off die Flucht, sodass sie ihre Tochter zu Joshua´s Arbeitsplatz führen konnte, wo sie ihr unter die Nase hielt, dass Christoph nicht ihr leiblicher Vater ist. Wer bis dahin keine Spoiler gelesen hatte, war überrascht von dieser Wendung. Annabelle ermordete ihre Mutter daraufhin kaltblütig, was uns wieder ein paar Folgen mit Kriminalhauptkommissar Meyser bescherte. Xenia´s Tod wurde dramatisch inszeniert, der Schuss wurde nicht gezeigt, stattdessen auf die in der Nähe befindliche Denise und einen Baum mit Krähen übergeblendet. Danach ging die Kamera von der sterbenden Xenia aus der von Krähen umkreisten Hütte bis in den Himmel hinaus. Diese Bildmontagen wurden optisch ansprechend produziert.

Fazit

Neben mir finden es auch andere Zuschauer überaus schade, dass die homosexuelle Geschichte im Sturm der Liebe jetzt ein Ende hat. Die konservativen Fans und Verantwortlichen dürften sich nun freuen, weil sie keine spärlichen "Liebesszenen" zweier biertrinkender Männer mehr mitansehen müssen- dass die LGBT- Community aber seit 2005 heterosexuellen Liebesschwüren beiwohnt, scheint dabei niemanden zu interessieren.
Mit dem Fortgang von Tobias und Boris verliert Sturm der Liebe ein besonderes Merkmal, welches die Serie moderner gemacht hat. Sollte die Telenovela noch einmal verlängert werden (bis jetzt wurde sie das nicht, was Böses erahnen lässt), wünsche ich mir, dass es in Zukunft ein schwules oder lesbisches Staffelpaar geben wird- doch es ist nicht absehbar, dass eine homosexuelle Thematik überhaupt noch einmal vorkommen wird. So bleibt der Sturm leider (wieder) bloß den heterosexuellen Figuren vorbehalten...

Erfahre hier, weswegen ich die Karpaten- Geschichte 2019 langweilig fand!